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Der Kaufmann von Venedig (englisch The Merchant of Venice) ist ein Theaterstück von William Shakespeare. Das Werk entstand zwischen 1596 und 1598 und wurde 1600 in der ersten Quartoausgabe veröffentlicht. Die früheste bekannte Aufführung fand am 10. Februar 1605 vor König Jakob I. im Palace of Whitehall statt. Das Stück spielt in Venedig und in Belmont, einem Landsitz auf dem Festland. Die Handlung beruht auf Il Pecorone von Giovanni Fiorentino und der Anekdotensammlung Gesta Romanorum.

Inhalt

Handlung

Antonio, ein venezianischer Kaufmann, möchte seinen Freund Bassanio unterstützen, der auf Freiersfüßen wandelt: Bassanio hat sich in Portia, eine reiche junge Adelige, verliebt, und die Brautwerbung verspricht teuer, letztlich aber auch sehr lukrativ zu werden. Um den Freund mit dem nötigen Geld unterstützen zu können, macht Antonio selber Schulden, und zwar bei dem jüdischen Geldverleiher Shylock. Shylock, der von den Christen Venedigs verachtet, von Antonio öffentlich beleidigt wird und der seinerseits Antonio stellvertretend für alle Christen hasst, bietet im Gegensatz zu seiner üblichen Zinspraxis an, diesmal auf Zinsen zu verzichten. Als Sicherheit verlangt er, scheinbar zum Spaß, nur dies: Gelingt es dem Schuldner nicht, das geliehene Geld rechtzeitig zurückzuzahlen, so hat Shylock Anspruch auf „ein Pfund Fleisch“ aus Antonios Körper. Antonio willigt ein und unterschreibt einen entsprechenden Schuldschein, ist er sich doch sicher, dass seine Handelsschiffe, die zurzeit auf großer Fahrt sind, bald reich beladen nach Venedig zurückkehren werden.

In Belmont muss sich auch Bassanio auf eine ungewöhnliche Übereinkunft einlassen: Portias verstorbener Vater hat testamentarisch verfügt, dass ihre Bewerber von drei Kästchen (einem goldenen, einem silbernen, einem bleiernen) jenes auswählen müssen, welches Portias Bild enthält; wem das nicht gelingt, der muss zeitlebens ehelos bleiben. Der erste Bewerber, der geldgierige Prinz von Marokko, wählt das goldene Kästchen, denn auf dem bleiernen steht: „Wer mich wählt, muss alles geben und wagen, was er hat“, und für Blei will er nicht alles, was er hat, riskieren. Das silberne sagt: „Wer mich wählt, wird so viel bekommen, wie er verdient“, was für ihn wie eine Einladung zur Folter klingt. Auf dem goldenen jedoch steht: „Wer mich wählt, wird gewinnen, was viele begehren“, was für ihn ganz deutlich auf Portia anspielt. Im goldenen Kästchen liegen jedoch nur ein paar Goldmünzen und ein Schädel mit einer Schriftrolle, auf der der berühmte Spruch steht:

„Nicht alles, was glänzt, ist Gold, / Oft hast du das sagen hören – / Manch einer hat sein Leben verkauft, / Nur mein Äußeres zu sehen. / Vergoldete Gräber umschließen Würmer. / Wärst du so weise wie kühn gewesen, / Jung in den Gliedern, alt im Urteil, / So wäre deine Antwort nicht aufgeschrieben gewesen – / Leb wohl, deine Werbung ist kalt.“

Somit ist er kein geeigneter Bewerber und muss von jetzt an ein Leben als Junggeselle führen.

Der zweite Bewerber ist der von sich selbst sehr überzeugte Prinz von Arragon. Er wählt das silberne Kästchen, weil er denkt, dass er Portia „verdiene“. Darin findet er jedoch das Bild eines blinzelnden Idioten, der ihm ein Stück Papier entgegenhält. Damit hat auch er sich als ungeeignet erwiesen. Der letzte Bewerber ist schließlich Bassanio. Er bemerkt, dass die Zeile auf dem bleiernen Kästchen sich auf die Hochzeit als einen wichtigen Wendepunkt im Leben bezieht. Er wählt das richtige Kästchen und darf Portia heiraten.

Zurück in Venedig, findet er Antonio in argen Sorgen: Die Schiffe des Kaufmanns sind verschollen, und es scheint aussichtslos, dass er Shylock die geschuldete Summe rechtzeitig zurückzahlen kann. Shylock wetzt schon sein Messer und hat auch eine Waage mitgebracht, als der junge „Advokat“ Balthasar – bei dem es sich in Wirklichkeit um die nach Venedig gekommene, verkleidete Portia handelt – erscheint und in letzter Minute die Lösung präsentiert: Zwar habe Shylock vertragsgemäß Anspruch auf das Fleisch, nicht jedoch auf das Blut Antonios, er dürfe also beim Herausschneiden keinen Tropfen Blut vergießen. Tue er es doch, so drohe ihm die Todesstrafe und alle seine Güter würden vom Staat konfisziert. Weiter sei in den Gesetzen Venedigs festgelegt, dass derjenige, der als Fremder nach dem Leben eines Bürgers trachte, die eine Hälfte seines Vermögens an die gegnerische Partei (Antonio), die andere Hälfte an den Staat verliere, sein Leben hänge von des Herzogs Gnade ab. Verbittert muss der Gläubiger seine Niederlage eingestehen. Doch zeigt der Doge Milde, und Antonio bietet die Rückgabe seiner Hälfte an, wenn Shylock zum Christentum konvertiere und seine Güter nach seinem Tod seiner Tochter Jessica und deren Freund Lorenzo vermache. Der gebrochene Shylock erklärt sich zu allem bereit und verlässt das Gericht. Zum glücklichen Ende treffen sich in Belmont die Paare Portia-Bassanio, Nerissa-Gratiano, Jessica-Lorenzo mit Antonio, der erfreut erfährt, dass seine Schiffe doch noch sicher im Hafen angekommen sind.

Kritik

Shakespeares Komödie wird oft Antisemitismus vorgeworfen, der in der Tat im elisabethanischen Theater nichts Ungewöhnliches war. Bekanntestes Beispiel neben Shakespeares „Kaufmann“ ist Christopher Marlowes wesentlich undifferenzierteres Drama The Jew of Malta. Shylocks Handeln wird durch die Unterdrückung der jüdischen Gemeinden und der einzelnen Juden (Gutwilligkeit des Rezipienten vorausgesetzt) verständlich, die im Stück zwar keine zentrale Rolle spielt, aber durchaus erwähnt wird. Auch der berühmte Verteidigungsmonolog Shylocks, in dem er sich über die Ungerechtigkeiten beklagt, unter denen er zu leiden hat: „Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?“ (III.1) mildert den Tenor des Stückes. Die Großmütigkeit der christlichen Protagonisten des Stücks steht im Kontrast zur Rachsucht und Engherzigkeit Shylocks.

Wie in den mittelalterlichen Mysterienspielen soll mit diesem Stück der ethische Grundsatz „Gnade vor Recht“ demonstriert werden. Gemeint ist, dass die Gnade (christlich, Neues Testament) noch über dem Recht (jüdisch, Altes Testament) stehen soll.[24] Das ist die Tradition, die Shakespeare übernimmt, auch wenn seine Figuren nicht mehr so allegorisch wirken wie einst. Jedoch ermöglichte Shakespeares facettenreiche Charakterisierung des eigentlich als komischen Schurken angelegten Shylock auch andere Interpretationen des Stoffs. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gab es erste mitfühlende Darstellungen des Shylock, die seine tragische Ambivalenz herausstellten. Ludwig Börne weist in seinem Essay Der Jude Shylock im „Kaufmann von Venedig“ auf die menschliche Tragik Shylocks hin.[25] Noch engagierter tut dies Heinrich Heine in seinen Ausführungen über Jessica und Portia in seiner Schrift Shakespeares Mädchen und Frauen.[26]

Während die Figur des Shylock in der NS-Zeit, als das Stück wieder häufiger aufgeführt wurde (etwa 1943 am Wiener Burgtheater oder in der Verfilmung mit Werner Krauß), oft als Verkörperung des der nationalsozialistischen Rassenideologie entsprechenden Judenbildes mit allen den Juden zugeschriebenen charakterlichen und physiognomischen Stereotypen dargestellt wurde,[27] hat sich angesichts des Holocausts die mitfühlende Darstellung des Shylock durchgesetzt. Auch die jüngste Verfilmung des Stoffs, Michael Radfords „Kaufmann von Venedig“ mit Al Pacino in der Rolle des Shylock, verfährt so: Der Film beginnt mit einer Montage von Szenen, die den zeitgenössischen Antisemitismus zeigen: Hetzreden fanatischer Wanderprediger, das Verbrennen von Talmud­drucken sowie das Bespucken und Schlagen von Juden. Hier wird offensichtlich, warum Shylock im entscheidenden Augenblick falsch handelt. Die Gnade, die von ihm hier erwartet wird, kann er nicht gewähren, weil ihm die Liebe als Voraussetzung dafür fehlt. Sie wurde von den venezianischen Nichtjuden zerstört.

In neueren deutschen Inszenierungen wurde das Problem der Darstellung Shylocks selbst zum Thema gemacht. In den Aufführungen unter der Regie von Peter Zadek wurden 1973 und 1988 bewusst alle Normen der politischen Korrektheit provokativ in Frage gestellt; George Tabori präsentierte 1978 in seinen Improvisationen über Shylock mit seinem zwölfmaligen Durchspielen des Schicksals von Shylock die Traumata des deutschen Umgangs mit diesem Werk Shakespeares.[28]

 

 

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