Stille Amerikaner, Der
(Quiet American, The)

22.05.2003, USA, 101min
Filmspiegel-Auszeichnung
R: Phillip Noyce
B: Graham Greene, Christopher Hampton, Robert Schenkkan
D: Michael Caine,
Brendan Fraser,
Do Thi Hai Yen,
Rade Serbedzija,
Tzi Ma
L: Webseite, IMDb, Trailer
Ausgezeichnet
57
Gelungen
56
Mittelprächtig
53
Dürftig
30
Schrott
29
225
„Ohne auch nur einmal selbst offensichtlich Position zu beziehen, vermittelt er leise seine Botschaft: Man muss sich für eine Seite entscheiden, wenn man menschlich bleiben will. Dass dies zumeist nicht die Seite der Amerikaner ist, wissen wir heutzutage besser denn je.” - 
Filmszene
„Noyce made two great pictures close together, this one and "Rabbit-Proof Fence," which I reviewed last December. He feels anger as he tells this story, but he conceals it, because the story as it stands is enough. Some viewers will not even intercept the political message.” - 
Roger Ebert
„I trusted you. - Always a mistake when there's a woman involved.”
Inhalt
Der Amerikaner Alden Pyle (Brendan Fraser) zieht im Jahre 1952 nach Saigon, wo er sich mit Thomas Fowler (Michael Caine), einem Korrespondenten der London Times anfreundet. Als Alden Fowlers Geliebte Phuong (Do Thi Hai Yen) kennen lernt und sich in diese verliebt, entwickelt sich eine explosive Dreiecksbeziehung, die schließlich einige Geheimnisse ans Tageslicht fördert.
Kurzkommentar
Der Australier Phillip Noyce ("Der Knochenjäger") verurteilt auf subtile Weise das Eingreifen der Amerikaner in die vietnamesiche Geschichte, lässt den Zuschauer dank bestechendem Handwerk und großem Einfühlungsvermögen allerdings primär am Schicksal zweier Männer teilhaben, die die gleiche Frau lieben. Auch wenn die zweite Hälfte sich schließlich stark vom Anfangssujet entfernt und eher Thrillerelemente bietet, vermag der Film bis zum Ende hin zu fesseln.
Kritik
Der Australier Phillip Noyce hat etwas länger gebraucht, um sich vom Hollywood-Einheitsbrei zu lösen, so gibt er heute zu. Als Regisseur von konventionellen Actionthrillern (die Clancy-Verfilmungen "Die Stunde der Patrioten" und "Das Kartell" gehen auf sein Konto) sowie wenig rühmlichen Auftragsarbeiten à la "Sliver" und "Der Knochenjäger" konnte er sein persönliches, künstlerisches Ziel nie vollständig durchsetzen - das Studiosystem Hollywoods hatte ihn fest im Griff. Das sollte 1999 endlich ein Ende haben und so zog er sich teilweise zu australischen und englischen Geldgebern zurück und arbeite gleich zwei Filme aus. Der eine, "The Quiet American", kam nach über einem Jahr Archivierung in den Lagerhallen der Produktionsfirma Miramax rechtzeitig zur Oscar-Nominierung in die amerikanischen Kinos. Der andere, "Rabbit-Proof Fence" hatte Anfang Februar 2002 seine Premiere. Beide kommen nun im Abstand von einer Woche in die deutschen Kinos; man bekommt sozusagen das Noyce-Doppelpack.

Wie auch immer "Rabbit-Proof Fence" ausfallen wird, Noyce verdient bereits für "The Quiet American" hohe Anerkennung. Wie bereits angedeutet, hatte es das Drama, das auf einem Roman Graham Greenes von 1954 basiert, bei seiner Veröffentlichung nicht einfach, denn ursprünglich sollte der Film um September 2001 in die Kinos kommen. Dann ereigneten sich aber die Anschläge vom 11.September und Miramax-Boss Harvey Weinstein war der Meinung, ein Film, der recht eindeutig die Mitschuld der USA an einigen terroristischen Akten zur Zeit der Vietnam-Krise 1952 thematisiert, komme zu diesem Zeitpunkt weniger gut an. Als dann aber ein Jahr später "The Quiet American" immer noch nicht veröffentlicht ward, wurde es Hauptdarsteller Michael Caine zu bunt: er stattete Weinstein einen Besuch ab, redete angeblich ziemlich wütend auf ihn ein und erzwang den rechtzeitigen Release des Films zur Oscar-Saison. Sein Engagement zahlte sich aus: Caine selber wurde als "Bester Hauptdarsteller" nominiert und der Film wurde von der amerikanischen Kritik "trotz" seines heiklen Inhalts sehr gut aufgenommen.

Doch zunächst zum größten Kritikpunkt. Noyce erliegt der Versuchung, zwei Geschichten auf einmal erzählen zu wollen. So konzentriert sich sein Film in der ersten Hälfte beinahe ausschließlich auf das Liebesdrama zwischen Fowler, Pyle und Phuong, im zweiten Teil dann größtenteils auf seine Thriller-Thematik. Beide Teile sind für sich vorzüglich eingefangen, glaubhaft inszeniert und emotional tragfähig, aber leider nur bedingt vereinbar. Trotzdem Noyce und Drehbuchautoren Hampton und Schenkkan sich bemühen, den Liebeskonflikt auf den historischen Hintergrund und den Kriminal-Plot zu übertragen ("For Pyle saving a woman and freeing a country must have been the same thing"), will die Verstrickung im Gesamten nicht so recht gelingen. Aus der Perspektive des reinen Filmplots spielt die Figur der Phuong für den Thriller sowieso keine Rolle, aber auch im übertragenden Sinne stellt sich kein kongeniales Bild ein.

Doch wenn die beiden Hälften sich nicht ganz glücklich zu einem Gesamtbild formen lassen möchten, sind sie doch großartig erfasst. So glückt dem Drehbuch genauso, die Freundschaft zwischen Pyle und Fowler trotz ihrer Gegensätze und dem Kampf um die gleiche Liebe glaubhaft wirken zu lassen, wie es ihm gelingt, hier und da Hinweise auf den krimi-artigen Subplot zu streuen und die Fäden zum Ende hin elegant zusammenzuführen. Dabei beleidigt es die kombinatorischen Fähigkeiten des Zuschauers ebensowenig wie es am Ende Spielraum für Spekulationen lässt. Ob Fowler nun hinter dem Mord auf Pyle steckt, wird nicht hundertprozentig geklärt, und selbst wenn er es gewesen ist: hat er ihn umbringen wollen, weil er Phuong für sich beansprucht oder weil Pyles Mittäterschaft bestrafen wollte? Und selbst dann: war es nicht lediglich Pyles Ziel, "die Welt zu verbessern"? War er nicht der naive, junge Idealist, der zum Werkzeug der CIA wurde, den Tod also gar nicht "verdient" hat?

Der Film gibt keine direkte Antwort. Sicher bleibt, dass jeder Charakter sympathisch ist, dass niemand schwarz/weiß gezeichnet wurde, dass sowohl Pyle als auch Fowler und Phuong ihre schwachen Seiten haben und nicht zuletzt dass Noyce, Kameramann Christopher Doyle ("Hero") und Komponist Craig Armstrong ("Romeo + Julia") alle Register ihres Könnens ziehen und den Zuschauer auf beinahe hypnotische Weise in das Sujet einzubeziehen vermögen. Allein die Szene als Fowler wie jeden Morgen bei einer Tasse Tee im Straßencafé sitzt und schon der erste Schwenk der Kamera auf den Marktplatz das drohende Unheil anzukündigen vermag, zeugt von großartiger, kinematographischer Kraft.

Etwas unglücklich gestricktes Thrillerdrama von großer emotionaler Resonanz.


Thomas Schlömer
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