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Das Fenster zum Hof (Originaltitel: Rear Window) ist ein US-amerikanischer Spielfilm von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1954. Grundlage war die Kurzgeschichte It Had to Be Murder des Krimiautors Cornell Woolrich. In diesem Thriller verkörpert James Stewart den Fotoreporter L. B. Jefferies, der sich ein Bein gebrochen hat und auf einen Rollstuhl angewiesen ist. „Jeff“ beobachtet aus Langeweile seine Nachbarn auf der anderen Seite des Innenhofes und argwöhnt, dass einer seiner Nachbarn seine Frau ermordet hat. Seine Verlobte Lisa und seine Pflegerin Stella unterstützen ihn nach anfänglicher Skepsis bei den eigenen Ermittlungen.

Die Kritik nahm den Film positiv, teils überschwänglich auf. Das Fenster zum Hof markiert den Beginn der „Paramount-Ära“, in der Hitchcock einige seiner bedeutendsten Filme inszenierte. 1998 folgte ein gleichnamiger Fernsehfilm von Jeff Bleckner.

Inhalt

Handlung

Der Fotojournalist L. B. „Jeff“ Jefferies ist wegen eines Gipsbeins vorübergehend auf einen Rollstuhl angewiesen. Aus Langeweile beobachtet er von seinem Fenster aus das Geschehen im Hinterhof einer Apartmentanlage in Greenwich Village. Das anfängliche Vergnügen über die Marotten seiner Nachbarn weicht allmählich einer obsessiven Neugier. Von seinem Zeitvertreib lässt er sich auch nicht durch die warnenden Ratschläge seiner Pflegerin Stella abhalten.

Fürsorglichen Besuch erhält Jeff zudem von seiner Verlobten Lisa Fremont, die als elegante Karrierefrau aus den vornehmen Stadtteilen New Yorks den charakterlichen Gegenpol zum abenteuerlustigen und an das einfache Leben gewöhnten Fotografen bildet.

Als Jeff eines Nachts nicht genügend Ruhe findet, bemerkt er im Halbschlaf, dass einer der Anwohner – Thorwald, ein Vertreter für Modeschmuck von gegenüber – die Wohnung mehrmals mitten in der Nacht im strömenden Regen mit seinem Musterkoffer verlässt. Am nächsten Morgen ist dessen bettlägerige Ehefrau verschwunden. Mit einem Fernglas, später durch das Teleobjektiv seines Fotoapparats, beobachtet Jeff, wie Thorwald ein Messer und eine Säge in Zeitungspapier wickelt. Jeff berichtet Stella und Lisa von den verdächtigen Vorgängen und entwirft eine gewagte Mordtheorie. Lisa zeigt zunächst kein Verständnis, ändert aber schlagartig ihre Haltung, als sie mit eigenen Augen sieht, wie Thorwald einen großen Schrankkoffer mit Seilen verschnürt.

Am nächsten Tag sucht Jeff Rat bei seinem Freund Thomas J. „Tom“ Doyle, der bei der Kriminalpolizei arbeitet. Höchst skeptisch verfolgt er Jeffs Auslegung der jüngsten Ereignisse, erklärt sich nach einigem Zögern aber bereit, inoffizielle Nachforschungen anzustellen. Zeugenaussagen scheinen Jeffs Vermutungen zu widerlegen, denn angeblich schickte Thorwald seine Frau mit der Bahn zur Erholung aufs Land. Nach ihrer Ankunft schrieb sie von dort eine Postkarte. Der suspekte Schrankkoffer diente wohl lediglich zum Transport ihrer Kleider. Da sich aber die Handtasche mit Schmuck und Ehering seiner Frau nach wie vor in Thorwalds Wohnung befindet, gibt sich Lisa mit den Erklärungen nicht zufrieden. Ihre weibliche Intuition findet bei Doyle jedoch kein Gehör und veranlasst ihn, nach einer von Sarkasmus begleiteten Diskussion seine Hilfe vorerst einzustellen.

Jeff und Lisa können ein paradoxes Gefühl der Enttäuschung nicht verbergen: Einerseits sehen sie sich um die Früchte ihrer Detektivarbeit gebracht, andererseits nagt die kaum empfundene Erleichterung über das scheinbare Lebenszeichen des vermeintlichen Opfers an ihrem Gewissen. Der moralische Aspekt erhält besonderes Gewicht, als beide den im Streit endenden Verlauf eines Herrenbesuches bei einer verzweifelt nach Zuwendung suchenden Anwohnerin („Miss Einsames Herz“) mit ansehen müssen.

Als Lisa die Vorhänge schließt, um sich Jeff im verführerischen Negligé zu präsentieren, ertönt plötzlich ein Schrei aus dem Hinterhof: Der kleine Hund eines alten Ehepaares wurde mit gebrochenem Genick aufgefunden. Die gesamte Nachbarschaft erscheint an ihren Fenstern – nur Thorwald zeigt keine Regung. Jeff versucht, das Motiv für den Tod des Tieres herauszufinden, und stellt mit Hilfe alter Dias fest, dass einige Pflanzen in einem Blumenbeet nahe der Fundstelle innerhalb von zwei Wochen kürzer geworden sind. Möglicherweise hatte der Hund etwas ausgegraben und wurde vom Täter dabei ertappt. Um Thorwald aus seiner Wohnung zu locken, täuscht Jeff mit einem Brief und Anruf eine Erpressung vor und lockt Thorwald zu einem fingierten Treffen. Lisa und Stella graben daraufhin das Blumenbeet um, finden aber keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen. Daraufhin klettert Lisa über die Feuertreppe und den Balkon durch das Fenster in Thorwalds Wohnung, um dort nach Beweisen zu suchen.

Stella kehrt unterdessen in Jeffs Apartment zurück, der entsetzt über Lisas Leichtsinn ist. Sie vereinbaren, Thorwalds Telefon klingeln zu lassen, falls dieser zurückkehrt, richten ihre Aufmerksamkeit dann aber auf „Miss Einsames Herz“, die sich in selbstmörderischer Absicht eine Überdosis Kapseln zurechtgelegt hat. Jeff ruft umgehend die Polizei an, zögert allerdings mit der Meldung, weil ein von einem benachbarten Songwriter gespieltes Lied einen Sinneswandel bei der lebensmüden Frau zu bewirken scheint.

Durch diesen Nebenschauplatz werden Jeff und Stella von den sich dramatisch zuspitzenden Vorgängen in Thorwalds Wohnung abgelenkt. Schon kehrt Thorwald unverrichteter Dinge wieder nach Hause zurück, und Lisa sitzt in der Falle. Sie versteckt sich, wird jedoch kurz darauf von Thorwald gefunden und in eine handgreifliche Auseinandersetzung verwickelt. Als die Polizei eintrifft, lässt Lisa es in der anschließenden Befragung so aussehen, als sei sie eingebrochen, um sicher aus Thorwalds Wohnung zu entkommen. Vor ihrer Verhaftung zeigt sie mit dem Rücken zum Fenster stehend auf ihren Finger. Dort befindet sich Mrs. Thorwalds Ehering, den sie sich geistesgegenwärtig übergestreift hat, um wenigstens ein Beweisstück zu retten. Thorwald bemerkt dies, blickt an ihr vorbei in den Hof und entdeckt Jeff und Stella am Fenster gegenüber.

Jeff schickt Stella mit der Kaution für Lisa auf den Weg zur Polizei, während er Doyle telefonisch über die neue Sachlage aufklärt. Der ist nun auch von Thorwalds Schuld überzeugt und verspricht, sich um Lisas Freilassung zu kümmern. Als Jeff bei einem erneuten Klingeln des Telefons in der Annahme, es sei noch einmal Doyle, mit den Worten „Ich glaube, Thorwald ist schon abgehauen“ an den Apparat geht, wird ihm bewusst, dass der anonyme Anrufer Thorwald sein könnte und er einer persönlichen Konfrontation mit diesem nicht mehr entgehen kann. In seiner eingeschränkten Bewegungsfähigkeit besitzt Jeff nur wenig Mittel zur Gegenwehr. Nachdem er sich eine Schachtel mit Blitzlichtbirnen seines Fotoapparates zurechtgelegt hat, steht Thorwald ihm wenig später im Halbdunkel gegenüber. Zu seinen Absichten befragt, antwortet Jeff zunächst nicht. Thorwald kommt näher, wird aber durch wiederholtes Blenden mit dem Blitzlicht aufgehalten. Er erreicht den Rollstuhl und drängt Jeff in Richtung des offenen Fensters. In diesem Moment treffen Lisa, Stella, Doyle sowie weitere Polizisten ein. Thorwald wird überwältigt, Jeff jedoch findet an der Fensterbank keinen Halt mehr und landet nach dem unvermeidlichen Sturz in den Armen von zwei Polizisten. Danach gesteht Thorwald den Mord an seiner Frau, und die Polizisten nehmen ihn fest. Welches Beweisstück der Hund ausgegraben hat, bleibt offen.

Etwas später herrscht wieder Frieden im Hinterhof: Thorwalds Wohnung wird renoviert, das alte Ehepaar hat einen neuen Hund, „Miss Einsames Herz“ und der Songwriter finden zusammen. Jeff sitzt mit zwei Gipsbeinen in seiner Wohnung im Rollstuhl und Lisa ist bei ihm.

Kritik

Sowohl die zeitgenössische als auch die neuere Kritik nahm Das Fenster zum Hof fast ausschließlich positiv bis euphorisch auf. In. der Internet Movie Database erhielt der Film durchschnittlich 8,5 von 10 möglichen Sternen[55] und belegt damit Platz 50 in den IMDb Top 250. (Stand: August 2021)[56] Auf Rotten Tomatoes gaben 98 % der Kritiker bei 122 Reviews dem Film eine positive Beurteilung. Die durchschnittliche Bewertung beträgt 9,2/10.[57]

Zeitgenössische Reaktionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

François Truffaut zeigt sich im Arts-Magazin darin überzeugt, „daß dieser Film einer der wichtigsten unter den siebzehn ist, die Hitchcock in Hollywood gedreht hat, einer der ungewöhnlichsten auf jeden Fall, makellos, ohne jede Schwäche, ohne Konzession. […] Hitchcock hat eine solche Kenntnis des filmischen Erzählens erlangt, daß er in dreißig Jahren weit mehr geworden ist als nur ein guter Geschichtenerzähler. Weil er seinen Beruf leidenschaftlich liebt und nicht aufhört zu filmen und weil er lange schon alle Inszenierungsprobleme gelöst hat, muß er sich, um sich nicht zu langweilen oder zu wiederholen, zusätzliche Schwierigkeiten erfinden, neuen Disziplinen unterwerfen, was in seinen letzten Filmen zu dieser Häufung von äußerst aufregenden und immer brillant gelösten Zwängen führt.“[58]

In der Filmzeitschrift Cahiers du cinéma sieht Claude Chabrol den Film auf „höherem Niveau als die meisten seiner vorangegangenen Arbeiten“. Damit würde er „eindeutig in die Kategorie der ernsthaften Werke jenseits bloßer Krimi-Unterhaltung“ gehören.[59]

William Brogdon nennt Das Fenster zum Hof im Variety vom 14. Juli 1954 einen „von Hitchcocks besseren Thrillern“. Hitchcock kombiniere „technische und künstlerische Geschicklichkeit in einer Weise, die ihn zu einem ungewöhnlich guten Stück Krimi-Unterhaltung machen“. Er lobt das Drehbuch von John Michael Hayes als „clever“ und die Bewohner der anderen Appartements würden wie „echte Menschen“ scheinen. Auch Burr sei „sehr gut“ als Bedrohung.[60] Auch der film-dienst fällt ein positives Urteil: „Ein sehr spannender, dramaturgisch ausgefeilter Film ohne Schockeffekte. Einer der stilistisch klarsten und originellsten Filme Hitchcocks voller atemloser Spannung, weil der Zuschauer bald merkt, daß die Situation Jeffries der seinen gleicht.“ Die Filmkommission vergibt das Prädikat „Sehenswert“.[61]

André Bazin würdigt den Film im France Observateur als eine „achtbare Arbeit“, kann aber kein „ernsthaftes Werk jenseits bloßer Unterhaltung auf hohem Niveau“ erkennen. Außerdem sei der Film im letzten Drittel „zu kunstfertig inszeniert […], als daß seine Figuren auch nur einen Augenblick glaubwürdig wären“.[37] Für Bosley Crowther ist Das Fenster zum Hof „nicht bedeutsam“. Was Hitchcock über die menschliche Natur zu sagen hat, sei „oberflächlich“ und „unbedacht“. Aber es zeige „viele Facetten der Einsamkeit des Stadtlebens“ und demonstriere „stillschweigend den Antrieb für krankhafte Neugier“. Stewarts Schauspiel rühmte Crowther als „erstklassige Arbeit“.[30] The New Yorker bezeichnet den Film als „Gewäsch“ und der einzige Schauplatz sei „Dummheit“.[62]

Spätere Bewertungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Michael Sragow resümiert im März 2012: „[Das Fenster zum Hof] ist ein erstaunlicher, visueller und psychologischer Coup. Hitchcocks brillante Satire auf das beengte Stadtleben und seine meisterhafte Beschwörung des städtischen Voyeurismus erzeugen […] Urängste und einen tiefen Einblick.“ Kelly zeige die „charmanteste Leistung“ ihrer Karriere.[63] Roger Ebert vergibt 4 von 4 möglichen Sternen: Das Niveau des Films sei „so hoch über dem billigen Nervenkitzel der modernen Slasher-Filme“, dass der Film, ursprünglich zur Unterhaltung gedacht, „nun als Kunst offenbart wird“.[64]

Vincent Canby schreibt in der New York Times vom 9. Oktober 1983, dass die „großartigen Auftritte“ von Stewart das „Herz des Films“ seien. „Das Fenster zum Hof verzaubert uns sofort und muss nicht zu Tode analysiert werden, um seinen Platz im Pantheon zu erhalten.“[65] The-Guardian-Redakteur Killian Fox urteilt, Hitchcock habe es besser als jeder andere Filmemacher verstanden, unsere voyeuristischen Tendenzen zu erregen. Er glaubt nicht, dass Hitchcock es „je geschickter machte oder mit mehr schadenfreudigem Selbstbewusstsein“ als hier.[66]

Joshua Klein nennt Das Fenster zum Hof die „vermutlich […] erfolgreichste Mischung aus Unterhaltung, Spannung und Psychologie in Hitchcocks bemerkenswerter Laufbahn. Eine faszinierende Studie von Obsession und Voyeurismus – mit perfekter Besetzung, perfektem Drehbuch und perfekter Kulisse.“[67] Für Kim Newman ist der Film „geistreich, spannend, traurig, lustig und klug“ und „würde mehr als fünf Sterne erhalten, wenn Empire es erlauben würde…“[68] Das Filmmagazin listet es auf Platz 103 der 500 besten Filme aller Zeiten.[69]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

BAFTA Awards 1955

National Board of Review 1954

Oscarverleihung 1955

Edgar Allan Poe Award 1955

Internationale Filmfestspiele von Venedig 1954

New York Film Critics Circle Award 1954

American Film Institute

Einflüsse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In zahlreichen Filmen und Serien wird auf Das Fenster zum Hof verwiesen. 1999 verfilmte Jeff Bleckner Das Fenster zum Hof mit Christopher Reeve in der Hauptrolle neu. Reeve spielt einen Architekten anstelle eines Fotografen.[70] Disturbia (2007) überträgt die Handlung in die Gegenwart: Shia LaBeouf verkörpert Kale Brecht, der nach einer körperlichen Auseinandersetzung unter Hausarrest steht und eine elektronische Fußfessel tragen muss.[71] Der Tatort: Hitchcock und Frau Wernicke (2010) übernimmt größere Passagen der Handlung, auch der Film selbst spielt eine Rolle.[72] Auch die Episode Sehnsucht der Kriminal-Fernsehreihe Spuren des Bösen orientiert sich an der Handlung des Films.[73]

2009 wurde der Film in der Comedy-Show Saturday Night Live Gegenstand eines Sketchs mit Jason Sudeikis als James Stewart, January Jones als Grace Kelly und Bobby Moynihan als Alfred Hitchcock.[74] In der ersten Folge der sechsten Staffel der Zeichentrickserie Die Simpsons – Ein grausiger Verdacht – muss Bart wegen eines Badeunfalls ein Gipsbein tragen.[75] Zudem parodieren Familie Feuerstein (1961),[76] The Detectives (1994),[77] Allein gegen die Zukunft (1998)[78], Die wilden Siebziger (2000)[79], Mike & Molly (2013) und die erste Folge der britischen Comedyserie My Life in Film (2004)[80] Das Fenster zum Hof. Episoden der Krimiserien Psych (2010)[81], White Collar (2012)[82] und Castle (2013)[83] beziehen sich direkt auf den Film. Auch Alf meint in der Folge Das Fenster zum Garten einen Mord seines Nachbarn Trevor an dessen Frau Rachel beobachtet zu haben, eine Anspielung auf Hitchcocks Film. Ebenso lehnt sich der Mystery-Thriller The Woman in the Window (2021) an den Hitchcock-Klassiker an: Zu Beginn des Films sieht man einen kurzen Ausschnitt der finalen Szene aus dem Fenster zum Hof, in der James Stewart gegen seinen Widersacher kämpft.

Die Kurzgeschichte The Birds of Azalea Street der Autorin Nova Ren Suma aus der Anthologie Slasher Girls and Monster Boys (2015) wurde durch den Film inspiriert.[84] Für seinen Roman Golden House von 2017 ließ sich Schriftsteller Salman Rushdie von dem Film Das Fenster zum Hof inspirieren.[85]

 

 

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